Bremer Nachrichten
scha

Immer wieder gern gesehen

29 jan 1986

Der Titel seines neuen Programms „Ein Holländer” ist bewußtes Understatement. Herman van Veen ist auch auf dem internationalen Show-Parkett zu sehr Ausnahmeerscheinung, um „nur” als „Ein Holländer” durchzugehen — zumal als ein holzschuhtragender, fahrradfahrender wie auf Plakat und Programmheft. Beinahe Jahr für Jahr füllt der Allroundkünstler aus den Niederlanden die Konzertsäle, insbesondere in der Bundesrepublik. Auch der erste Abend seines dreitägigen Gastspiels in Bremen war erwartungsgemäß ausverkauft, heute bei seinem letzten Auftritt wird es kaum anders sein.


Dabei fragt man sich stets aufs neue, wann dem inzwischen 40jährigen „Workaholic” mit der poetischen Ader wohl die Puste ausgeht, wann Verschleißerscheinungen deutlich werden, wann van Veen nur mehr auf alte, bewährte Nummern zurückgreift, um dem fast pausenlosen Kreativitätsdruck zu entgehen. Im ersten Teil sah es schon ein wenig danach aus. Den Schellenhut des Gauklers auf dem Kopf kam van Veen, wie gewohnt, von hinten durch den Saal auf die Bühne. Er begrüßte das sofort begeistert mitgehende Publikum unter anderem mit einer holländischen Fassung von Haindlings „Lang scho nimmer g’sehn” und spulte anschließend eine gut dreiviertelstündige Lieder- und Szenenfolge ab, in der manch Bekanntes auftauchte: der Mann mit der Plastiktüte, der liebenswerte Zauberdilettant mit dem Tischtennisball im Mund, „Klitschnasse Clowns” und „Die Brummfliege”.

Allerdings bringt der Künstler diese wohl schon unzählige Male vorgetragenen Nummern noch immer mit Verve und scheinbarer Spontaneität Er ist ein begnadeter Akteur und Entertainer, der seinem Publikum meist auf der Gefühlsseite begegnet, es vor allem durch sein clowneskes Geschick öffnet und aus der Schale lockt, um ihm dann wohldosiert einen tiefschürfenden Gedanken mitzugeben.
Dazu bedient er sich zuweilen kleiner Tricks: eines zweiten, „vernünftigen” Ichs etwa, mit dem er Zwiesprache hält, oder einer Ansprechpartnerin in der ersten Reihe, der er anfangs den Namen entlockt hat. Um so irritierender die eher plumpe Jahrmarktsmischung aus Kasperletheater und Geisterbahn im Repertoire, die mehr auf grelle Effekte und grobe Pointen als auf subtiles Spiel baute.

In der Rolle eines Boxers deutete van Veen vor der Pause bereits Energie und Tempo des zweiten Teils an, der allerdings im Gegensatz zu früheren Zeiten ebenfalls mehr unterhaltsam denn gehaltvoll ausfiel. Besinnlich der Einstieg mit „Warst du dagegen”. Danach eine lange, fesselnd auf die Bretter gelegte Spielsequenz über das Leben nach dem Tod, in der der geistreiche Holländer mit großen Fragen und Pseudo-Weisheiten jonglierte, sie entlarvte und auf nette Art mit Alltäglichem konterkarierte („Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Ich nicht. Aber ich würde auf jeden Fall meine Zahnbürste mitnehmen”).

Eindrucksvoll die Körperbeherrschung van Veens, seine in jeder Phase treffende Mimik, seine beredte Gestik und seine virtuosen Tanzeinlagen, die die Szenerie im rechten Moment auflockerten. Via Rock’n’Roll, Slapstick und Strip wurde er an diesem Abend schließlich zum Tennisspieler, mit der geballten Faust und der typischen Armbewegung von Boris Becker, sogar in Zeitlupe. Auch Streit mit dem Schiedsrichter. Bezeichnend, daß van Veen mit sicherem Gespür gerade den kuriosen Tennis-Terminus „15:Love” aufgriff: in Verbindung mit seiner mimisch gekonnten Zeitlupenpantomime ein vielbejubelter Trumpf.

Zum Schluß stellte sich ein schweißtriefender Künstler zusammen mit seinem tadellosen Musiker-Quartett den lange nicht endenden Ovationen. Als erste von zahlreichen Zugaben sang er sein wie immer anrührendes Plädoyer für menschliche und politische Solidarität.

Ernste Signale am Ende eines alles in allem heiteren lebendigen, stimmungsvollen Abends.



scha